Das Projekt ist Teil der Thematischen Area 4: Geforderte Herrschaft
In der Person eines politischen Oberhauptes kumulieren Bewältigungskonzepte verschiedener Herausforderungen, die situativ unterschiedlich wahrgenommen werden. Schriftliche und bildliche Quellen (zeitgenössisch, historisch, rezent wissenschaftlich) ermöglichen es, die Figur eines Herrschers zu (re-)konstruieren, die je nach Bedarf unterschiedliche Zuschreibungen erfährt bzw. Rollen ausfüllt. So amalgieren z. B. durch Projektionen und Erwartungen einerseits typische, andererseits individuelle Züge zu einer konstruierten oder abstrahierten Figur. Diese kann ambivalent konnotiert sein und als medial vermitteltes Herrscherbild selbst zur Herausforderung werden.
In dem Projekt wird es zunächst darum gehen, im interdisziplinären Vergleich mehrere Typen von Herrscherfiguren zu beschreiben sowie in transkultureller Perspektive nach möglichen epochen- bzw. kulturspezifischen Varianten zu fragen. In einem zweiten Schritt ist auf Bedingungen und Kontexte der Konstruktion bestimmter Herrscherfiguren zu reflektieren. Hierbei ist zu fragen, welche Figuren eingesetzt werden, um (a) das Entstehen/Bestehen einer Herausforderung retrospektiv zu erklären; (b) jeweils situationsbezogen oder auch situationsübergreifend eine prospektive Handlungsempfehlung zu generieren. Auf diese Weise soll kultur- und epochenübergreifend das Potential genauer bestimmt werden, welches die Konstruktion von bestimmten Herrscher-Bildern jeweils im Rahmen von Wahrnehmung, Konzeptualisierung und Bewältigung von Herausforderungen bot.
Konkret sollen in diesem Zusammenhang die Figuren
- des alten Herrschers
- des kranken, verletzten und sterbenden Herrschers
- des fremden Herrschers
- des gut bzw. schlecht beratenen Herrschers
- des langjährigen Herrschers
- des reformierenden Herrschers
analysiert werden. Die hier definierten ‚Typen‘ beziehen sich auf die physische Verfassung des Herrschers (1, 2) und erforschen die Argumentationsstruktur der Herrscherdarstellung sowie die gesellschaftliche Reaktion. Ethnische oder religiöse Hintergründe eines Herrschers (3, 4) generieren Diskurse, die als Bewältigungsstrategien zu beschreiben sind. Schließlich können intensive Kontinuität (5) und Diskontinuität (6) von Herrschaft, die mit einem einzelnen Herrscher in Verbindung stehen, besondere gesellschaftliche Reaktionen hervorrufen. Die auf diese Weise entstehenden Querschnittsbereiche beinhalten einerseits Herausforderungen wie körperliche Konstitution oder soziale Gegebenheiten, andererseits aber auch Lösungsstrategien wie den Rekurs auf Berater oder Kontakte nach außen.
Stellung innerhalb der Area: Zusammen mit den Projekten ‚Frauen im Umfeld des Herrschers‘, ‚Ein Herrscher oder viele?‘, ‚Permanent in Frage gestellte Herrschaft und ihre Darstellung im Liber historiae Francorum‘, ‚Herrscher und Beherrschte im Krieg‘ nähert sich das Projekt aus unterschiedlichen Gesichtspunkten Herrscherfiguren und den in vielfältiger Weise mit diesen in Verbindung stehenden Herausforderungen. Eine große Schnittmenge besteht mit Untersuchungen, die auf verschiedene Praktiken der Herrschaftssicherung fokussieren, wie das Projekt zur Standardisierung von Fleur Kemmers.