Zinnversorgung in der Bronzezeit — Rohstoffbeschaffung als gesellschaftliche Herausforderung


Das Projekt ist Teil der Thematischen Area 2: Kreierte Welt

Eine stark gestiegene Anzahl von Metallanalysen in unterschiedlichen Regionen Europas haben gezeigt, dass Zinnbronzen ab dem Spätneolithikum mit einer steigenden Frequenz in verschiedenen Gegenden Europas auftreten, wohingegen sie zuvor nur sporadisch zu finden waren. Die meisten Studien, die sich mit der Ausbreitung des Zinns und der Zinnbronze beschäftigen, fokussieren entweder auf eine Provenienzbestimmung des Rohstoffes Zinn oder einer Untersuchung des Umgangs einzelner Gemeinschaften mit dem Metall. Welche Herausforderungen dieser neue und zudem durch Handwerker erst zu erzeugende Rohstoff für einzelne Regionen bzw. Gemeinschaften und ihre sozialen und ökonomischen Netzwerke mit sich brachte, ist bisher jedoch nicht systematisch untersucht. Einige Regionen konnten bereits zu einem sehr frühen Zeitraum auf Zinnbronze zurückgreifen, andere hatten über einen sehr langen Zeitraum offenbar keinen Zugang zu den entsprechenden Rohstoffnetzwerken oder scheinen nicht in gleichem Maße an der Bronze-Metallurgie interessiert gewesen zu sein. Letztere werden üblicher Weise in archäologischen Studien weniger intensiv betrachtet, teilweise haftet ihnen sogar der Eindruck einer „backwater region“ an.

Das angestrebte Projekt wird in einem ersten Schritt die archäologisch fassbaren Indikatoren der Adaption der Zinnbronze-Technologie auf überregionaler Ebene herausarbeiten und charakterisieren. In einem zweiten Schritt sollen die Charakteristika verschiedener Regionen und Gemeinschaften herausgearbeitet und verglichen werden. Schlüsselfragen sind dabei: Warum lehnten Gemeinschaften die Zinnbronze-Technologie ab, obwohl deren Vorteile offensichtlich waren? Wie hat die Rohstoffverteilung zwischen weit entfernt liegenden Gebieten funktioniert? Welche gesellschaftlichen Mechanismen und Voraussetzungen lagen dieser zugrunde? Es scheint, dass nicht nur die Organisationsform von Gesellschaften, sondern vor allen deren Dauer und Bestand einen großen Einfluss auf die Einbeziehung in Rohstoffnetzwerke hatte.

Der Fokus soll auf der Untersuchung von Strategien der Implementierung der neuen Technologie, jedoch vor allem der Inkorporation in weiträumige Austauschnetzwerke von und durch bronzezeitliche Gemeinschaften liegen. Zu diesem Zweck werden Aspekte gemeinschaftlichen Denkens und Handelns, wie die Siedlungsstrukturen, Bestattungssitten, Deponierungstätigkeiten aber auch die ökonomische Ausrichtung der Gemeinschaften sowie ihre regionale und weiträumige Vernetzung untersucht. Die vorgeschlagene Herangehensweise begreift menschliche Bewältigungsstrategien nicht als ausschließlich durch Zäsuren gekennzeichnet, die stets eine Abkehr von etablierten Handlungsweisen erfordern. Vielmehr wird versucht auch langsame und graduelle Transformationen im menschlichen Handeln anhand bestimmter Marker zu identifizieren, abzubilden und zu korrelieren.

 

Stellung innerhalb der Area: Den Blick auf Rohstoffengpässe hat die vorliegende Untersuchung mit den Arbeiten von Sabine Gaudzinski-Windheuser, Olaf Jöris, Livija Ivanovaité (Human Dispersals) und Detlef Gronenborn (Social Cohesion) gemein. Die Untersuchung von Bronze verbindet das Projekt daneben technologisch mit demjenigen von Christopher Pare (Technologische Innovationen).